Kennst Du das? Du sitzt und sitzt an einem Text und findet keinen Anfang. Meistens ‚hakt‘ es schon an der Überschrift, denn damit fängt man einen Text doch eigentlich an, oder?
„Es reicht“ – der Stift fliegt in die Ecke oder das Laptop kriegt seinen Top zugeklappt. So! Und ja, so geht es auch Profis. Bei PR-Texten, bei Blog-Artikeln, bei der Mail, bei der Pressemitteilung. Denn aller Anfang ist schwer.
Also erst mal einen Ausflug zum Kühlschrank … Und dann: Fangen wir noch einmal an. Mit was? Woran sind wir gerade noch verzweifelt? Ach ja, an der Überschrift …
Und jetzt verrate ich schon alles:
Die Überschrift steht über allem – kann jedoch häufig und am besten – erst dann verfasst werden, wenn der Inhalt fast schon steht. Sie ist der Anfang, kommt aber am Ende. Warum?
Dazu später mehr. Erst geht es um den Inhalt Deines Textes. Dann kümmern wir uns um die Überschrift.
So kommst Du zum Kern Deiner Aussagen und Texte
Bevor Du anfängst, etwas zu schreiben, solltest Du mindestens drei Dinge wissen:
1. Für wen schreibst Du?
2. Was willst Du mit Deinem Text erreichen?
3. Was ist der Anlass für Deinen Text?
Und dann hast Du ja auch im besten Falle schon die Fakten, Infos, Zitate und Namen für den Text parat. Meistens geht es ja um einen Blogbeitrag, eine Pressemitteilung oder einen PR-Text. Übrigens: Bitte verwechsle nicht Pressemitteilung und PR-Text miteinander.
Wichtig ist jetzt: Wenn Dir die Punkte 1-3 klar sind, fällt es Dir schon sehr viel leichter, die Kernaussage zu ermitteln, auf die Du mit Deiner Überschrift Bezug nimmst.
Nehmen wir doch einmal die Pressemitteilung
Bei einer Pressemitteilung ist die Überschrift besonders wichtig. Hier darfst und kannst Du Dich ein bisschen kreativ austoben. Der übrige Pressetext sollte eher nüchtern und informativ sein, ganz ohne Umschweife und möglichst textsparend.
Überschriften müssen schnell informieren und dem formalen Aufbau einer Pressemitteilung folgen: Hauptüberschrift, Unterüberschrift (dann kommen Teaser, Text, Backgrounder …).
Trotzdem darf – und muss diese Überschrift die Leser*innen packen. Ganz einfach, weil sie aus der Flut der Pressemitteilungen, die täglich in einer Redaktion ankommen (mehrere Hundert bis Tausend pro Tag) herausstechen – und Interesse wecken soll.
Also noch einmal: Für wen schreibst Du? Für die Redakteure der entsprechenden Medien, die Deine Mitteilung veröffentlichen sollen – und in zweiter Linie für die Leser*Innen dieser Medien. Was willst Du mit der Pressemitteilung erreichen? Und was ist der Grund für die Pressemitteilung, also was ist ihr Nachrichten- und Neuigkeitswert? Ohne Neuigkeit ist Deine Nachricht für die Journalisten, die den Inhalt Eurer Pressemitteilung in ihrem Medium veröffentlichen sollen, nichts wert. Die Leser*innen wollen das Neueste vom Neuen. Sie wollen informiert, überrascht, unterhalten, auf dem Laufenden gehalten werden – immer das Gleiche zu lesen, langweilt.
Aber wie schaffst Du es, dass Deine Mitteilung und besonders die Überschrift Nachrichtenwert hat?
Der Küchenzuruf fasst intuitiv das Wichtigste in einen Satz zusammen
Der Begriff „Küchenzuruf“ soll vor einigen Jahrzehnten von Henri Nannen (1913–1996), dem Gründer und Verleger des Stern und „Altvater“ des Journalismus, geprägt worden sein – und gehört seither zum (nun auch von uns :)) vielzitierten Journalisten-Schulen-Repertoire:
Henri Nannen soll damals seinen Journalisten eingeschärft haben, sich folgende Szene vorzustellen: Ein Mann sitzt im Wohnzimmer und liest Zeitung. Seine Frau ist gerade in der Küche. Nach der Lektüre eines Artikels ruft er ihr zu: „Mensch Grete, die in Bonn spinnen komplett! Die wollen schon wieder die Steuern erhöhen!“ Damit trifft er den Kern des Artikels. Die ausführlichen Argumente für oder gegen die geplante Steuererhöhung oder wer betroffen sein könnte, treten erstmal in den Hintergrund. Die kurze und knappe Formulierung des Küchenzurufs ist die Kernaussage des Textes und damit Basis für die Überschrift.
Man kann es auch neutral den „Hast Du schon gehört“-Ruf nennen. Das funktioniert genauso gut: Damit erfährst Du erstens, ob Deine Nachricht überhaupt interessant ist und Neuigkeitswert hat. Zweitens, Du kommst schnell zum Kern Deiner möglichen Nachricht.
Beispiel: Du siehst auf der gegenüberliegenden Straßenseite einen Freund und willst ihm voller Nachrichten- und Mitteilungsdrang etwas zurufen. Da Du nicht viel Zeit hast und der Verkehr sehr laut ist, fasst Du instinktiv das Wesentliche zusammen: „Hast Du schon gehört, Minister X wurde heute Morgen abgesetzt. – oder: „beim Markt Y gibt’s jetzt auch diese tollen Gartenstühle, die Du suchst.“ Bei Deinem Freund kommt akustisch wohl eher an: „Gartenstühle, bei Y“…
Die Passagen: „hast Du schon gehört, heute Morgen“ und „…, die Du suchst“ – sind sogar überflüssig, der Kern ist die Neuigkeit: „der Minister ist abgesetzt“, der Markt Y hat genau das, was Du willst.“
Und wenn Du das alles durchgespielt hast, und vielleicht sogar schon die eine oder andere Textpassage geschrieben hast – dann fällt es Dir plötzlich viel leichter, die nötigen Infos in Deinen Überschriften gut zu verpacken und pfiffig zu formulieren. Mit einem bisschen kreativem Abstand geht es sogar noch leichter. Überlege einfach, was Du in die Küche rufen würdest.
Klingt albern? Funktioniert aber. Probiere es beim nächsten Mal einfach einmal aus, wenn Du Dich schwer tust, zum Kern eines Textes zu kommen und Du bei der Überschrift eine Schreibblockade hast.
Viel Spaß beim Schreiben wünscht Dir das A runde Sach Team!